From: Sigrid Blackenburg
Spuren von Naturgewalten gibt es auf Island reichlich, und auch der Himmel zeigt dort manch schönes Schauspiel. Eine Gruppe von SuW-Lesern machte sich Anfang September 2010 auf den Weg, um sich unter fachkundiger Leitung die Naturerscheinungen und auch die Sagenwelt an der nordwestlichen Grenze der europäischen Kontinentalplatte näher bringen zu lassen.
„Lasst euch überraschen“, tönt die muntere Stimme unserer isländischen Reiseleiterin Martina durch den Bus, als dieser an einem einsamen, unspektakulären Seitenstreifen der Ringstraße an der Südküste der Insel anhält.
Die 20 Teilnehmer der im Mai 2010 in „Sterne und Weltraum“ angekündigten Leserreise, die in bewährter Form von Wittmann Travel aus Hamburg durchgeführt wird, haben in den vorangehenden Tagen bereits eine ganze Reihe von Naturwundern bestaunen dürfen: Wir standen vor einem eruptierenden Geysir, dem Strokkur, überwanden im gelände- gängigen Reisebus holpernd eine Lava- und Vulkanasche-Hochebene, wanderten an einem donnernden, Gischt sprühenden Wasserfall, dem Gullfoss, entlang und kletterten durch wabernde Nebelschwaden in den Obsidian-Berghängen bei Landmannalaugar – vorbei an schwefelig „duftenden“ Solfataren und an einem türkisfarbenen Kratersee, in Landschaften, wo man hinter jedem größeren Felsen einen Troll vermuten könnte.
Auch diesmal lohnt sich trotz des rauen Wetters das Aussteigen aus dem Bus, denn nach dem Erklimmen eines kleinen Hügels erstreckt sich vor uns ein großer See, der Jökulsarlon, auf dem bis zum nebelverhangenen Horizont viele große und kleine Eisberge treiben – in Weiß und leuchtendem Blau, durchsetzt mit grauen Aschestaubschichten. Diesen bizarren Gebilden nähern wir uns anschließend noch in einem Amphibienfahrzeug und nehmen dort glasklares, etwa 1000 Jahre altes Gletschereis in die Hand. Diese Lagune diente sogar auch schon als Kulisse für bekannte Spielfilme, und eine muntere Robbenschar hat sie zu ihrem Lebensraum erkoren.
Die Weiterfahrt erfolgt durch mineralienreiche Fjorde, über mondwüstenartige Hochebenen, wo sogar schon NASA-Astronauten trainiert haben, unter dramatischen Wolkenformationen hindurch, vorbei an einsamen, zum Teil als anheimelnde Cafés eingerichtete Torfhütten. Und schließlich führt der Weg zum Mývatn, einem malerischen, mit bizarren Lavaskulpturen durchsetzten, von Pseudovulkanen umgebenen und auch ornithologisch sehr interessanten See.
Hier erleben wir einen astronomischen Höhepunkt dieser Reise: Vor einem strahlenden Sternenhimmel präsentieren sich uns – nicht weit vom Polarkreis entfernt – sogar prachtvolle Nordlichter! Fast der halbe Himmel wird in dieser klaren Nacht überzogen mit grünen Fahnen und wabernden Vorhängen, die teils gemächlich verweilen, teils aber auch
rasch über den Himmel zucken. Der Blick ist vom Hotel aus nach Norden über den See gerichtet, was den zusätzlich sehr schön anzusehenden Effekt hat, dass sich die Polarlichter auch noch im Wasser spiegeln.
Auf diese Sehenswürdigkeiten hat uns vorher schon an zwei Abenden der aus Deutschland mitgereiste, sehr fachkundige Reiseleiter Stefan Krause mit zwei Beamer-gestützten Vorträgen eingestimmt. Im September sind die Nächte über Island ja gerade wieder dunkel genug für dieses Himmelsphänomen, das nun an die Stelle der besonders hellen Mittsommernächte tritt.
Die wilde, karge Schönheit dieser Insel im Bereich des Nordatlantischen Rückens hat jedoch auch ihre Schattenseiten. So müssen die Bewohner damit rechnen, dass im Durchschnitt etwa alle 4 Jahre ein Vulkanausbruch ihre Heimat umgestaltet, womit die Isländer jedoch relativ gelassen umgehen. Originellerweise wird Vulkanasche, beispiels- weise vom Ausbruch des Eyjafjallajökull im Jahre 2010, in Gläschen abgefüllt oder aber Lava als Schmuck verarbeitet und von den Isländern geschäftstüchtig an Touristen verkauft.
Zudem mussten die Inselbewohner von jeher genügsam und erfindungsreich sein, was Baustoffe und Lebensmittel angeht: Kaum mehr als ein Prozent der Insel weist Baumbewuchs auf, so dass angeschwemmtes Treibholz für lange Zeit als wichtiger Rohstoff diente, und nicht einmal die Hälfte der Insel ist überhaupt begrünt. Wohltuend für das Auge zwar, das entspannt den weiten, unverstellten Blick genießt, heißt das jedoch von alters her auch, bei der Wahl der Nahrungsmittel und ihrer Konservierungsmethoden nicht allzu wählerisch zu sein. Zum Glück gibt es auf dieser Reise die stark gewöhnungs- bedürftigen, kulinarischen Island-Spezialitäten, beispielsweise fermentierten Hai, nur fakultativ im Angebot. Wir können uns an frischen Fisch- und Lammgerichten stärken. Richtig gut schmeckt auch das kalte Leitungswasser, das immer kostenlos mit auf dem Tisch steht. Das Duschen hingegen ist ein spezielles Erlebnis – auch für die Nase -, kommt dieses Wasser doch warm und schwefelhaltig direkt aus der Erde.
Auch Energie in Form von Wärme und Wasserkraft sind auf Island preisgünstig und im Überfluss vorhanden. Allerdings kann es passieren, dass das Anbohren einer Warmwasserquelle offenbar einen schlummernden Vulkan weckt, wie uns bei der Besichtigung eines geothermalen Heizkraftwerkes im Krafla-Bereich berichtet wird. Aber auch das trägt ein Isländer mit Fassung, ebenso wie die allgegenwärtigen Islandpullover, deren Wolle allerdings nur etwas für kratzunempfindliche Naturen ist….
Unser Busfahrer Vignir, ein Isländer im typisch gemusterten Wollpullover, beweist auf der etwa 2000 Kilometer langen Fahrt gute Nerven und enorm viel Geschick beim Steuern des 4-Rad-angetriebenen Busses, mit dem er uns durch teilweise abenteuerliches Gelände bringt und das Durchqueren Dutzender Flussfurten ermöglicht. Von ihm erfahren wir, dass er im Eyjafördur, einem der nördlichen Fjorde, schon einmal zu einem geothermalen Schlot hinab getaucht ist, der einzige in den Meeren dieser Welt, der mit normaler Taucherausrüstung erreichbar ist.
Viel zu schnell gehen die zehn Reisetage vorüber, und im Flieger über den Wolken Richtung Deutschland hat man das Gefühl, dass die nun hinter uns liegende Insel im hohen Norden noch jede Menge weitere Geheimnisse birgt.
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